In einer Familie mit Kindern stehen kleine Konflikte fast täglich auf dem Programm. Entweder wollen die Kinder nicht so, wie die Eltern wollen, oder Mama und Papa nicht so, wie die Kinder sich es wünschen.
Im Folgenden beschreiben wir Möglichkeiten, wie Ihnen die gewaltfreie Kommunikation (GfK) dabei helfen kann, diese Konflikte mit Ihrem Nachwuchs zu lösen, ohne zu bestrafen, zu beschämen, zu manipulieren oder sie zu irgendetwas zu zwingen. Ziel ist es, Konflikte im Familienalltag respektvoll zu lösen, so dass Eltern und Kinder in Verbindung bleiben und deren Beziehung nicht darunter leidet. Das alles erfordert einen achtsamen Umgang miteinander, Geduld und Beharrlichkeit, sind die Mühen am Ende aber wert.
Was ist „Gewaltfreie Kommunikation (GfK)”?
Die Gewaltfreie Kommunikation ist ein Handlungskonzept, das von Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde. Es soll Menschen ermöglichen, so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationsfluss zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führt. Gewaltfreie Kommunikation soll in diesem Sinne sowohl bei der Kommunikation im Alltag als auch bei der friedlichen Konfliktlösung im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein. Im Vordergrund steht nicht, andere Menschen zu einem bestimmten Handeln zu bewegen, sondern eine wertschätzende Beziehung zu entwickeln, die mehr Kooperation und gemeinsame Kreativität im Zusammenleben ermöglicht. (def. Wikipedia)
Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation mit Kindern
Bei der gewaltfreien Kommunikation – egal ob mit Kindern oder Erwachsenen – wird davon ausgegangen, dass diese von Grund auf gut und kooperativ sind und von Natur aus ein Interesse daran haben, sich gewinnbringend in eine Gemeinschaft einzubringen sowie Rücksicht auf die Bedürfnisse aller zu nehmen.
Der Hintergrund
Diese Grundannahme hat einen evolutionären Hintergrund. Jahrtausende lang war das Leben ein Kampf ums Überleben, verursacht durch Ressourcenknappheit. Da war es wichtig, dass alle an einem Strang zogen und man gemeinsam dafür sorgte, dass es ein Dach über dem Kopf und genügend Nahrung für alle gab. Je mehr Kooperations- und Hilfsbereitschaft in einer Gemeinschaft vorhanden war, um so leicht ließ sich das Ziel erreichen . Es liegt also nicht in der Natur des Menschen, Konflikte zu provozieren und gegeneinander zu arbeiten.
Kinder ernst nehmen
Oft kann man die Erfahrung machen, dass Kinder tatsächlich überaus kooperativ sind, wenn sie das Gefühl haben, ernst genommen zu werden und mitentscheiden zu dürfen. Eine emphatische Kommunikation mit den Kleinen ist ausschlaggebend dafür, dass diese sich wertgeschätzt fühlen und diese Art der Kommunikation übernehmen, um sich auszutauschen. Nur, wenn die eigenen Bedürfnisse ernst genommen und berücksichtigt werden, ist man selbst bereit, die der anderen auch zu erfüllen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Kids lernen nachzuvollziehen, wie sich jemand fühlt, um dessen Bedürfnisse auch zu verstehen.
Auch ein „Nein!“ ist okay
Das klare Kommunizieren der eigenen Bedürfnisse, aber auch das empathische Wahrnehmen der Bedürfnisse anderer ist ein Kernbestandteil der GfK. Außerdem basiert die GfK hauptsächlich auf dem Konzept der Freiwilligkeit – ich frage nach, ob mein Gegenüber dazu bereit ist, mit ein Bedürfnis zu erfüllen. Dabei nehmen ich gleichzeitig in Kauf, dass die Bitte nicht erfüllt wird.
Es muss Ihnen also klar sein, dass ein „Nein!“ als Antwort möglich ist. Denn jedes Nein birgt gleichzeitig ein Ja für sich selbst – das heißt, dass ich momentan vielleicht nicht bereit bin, meinem Gegenüber ein Bedürfnis zu erfüllen, weil bei mir gerade selbst ein Bedürfnis in Not ist, um das ich mich kümmern möchte.
Wenn Sie sich also von der Angst lösen, Ihre Kinder zu verziehen, weil diese auch mal „Nein!“ sagen dürfen, werden Sie ziemlich sicher die Erfahrung machen, dass Ihr Nachwuchs auch ein „Nein!“ Ihrerseits eher akzeptiert.
Aller Anfang ist schwer
Anfangs kann es Überwindung kosten, sich von den eigenen gewohnten Kommunikationsmustern zu trennen und sich dem Modell, vielmehr aber der inneren Haltung der GfK zu widmen. Letztlich ist es, als ob man eine neue Sprache lernt – und dazu gehören in diesem Fall v.a. der Gefühls- und Bedürfniswortschatz, den es meist neu zu erlernen, zumindest aber auszuweiten gilt. Die etwas hölzern klingende Sprache der sog. 4 Schritte der GfK löst sich meist schnell auf, indem Worte gesucht werden, die meinem Wortschatz entsprechen und die mein Gegenüber auch versteht. Letztlich geht es darum, ganz authentisch zu sein, zu den eigenen Gefühlen zu stehen und den Mut zu haben, das Bedürfnis zu äußern, das gerade im Minus ist. Wenn ich dabei verinnerlicht habe, dass ich mein Gegenüber verstehen und selbst verstanden werden will, kann eine Verbindung entstehen, die es ermöglicht, in „echten“ Kontakt zu kommen. Marshall B. Rosenberg, der Vater der GfK, zitiert dazu Gandhi mit: „Verwechsle nicht das, was Gewohnheit ist, mit dem, was natürlich ist.“
Die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation
Es gibt vier einfache Schritte, mit denen man ein Bedürfnis gewaltfrei kommunizieren kann:
- Beobachtung – Beschreiben Sie die Situation wertfrei.
- Gefühl – Benennen Sie Ihre Gefühle, die die Beobachtung in Ihnen auslöst.
- Bedürfnis – Erkennen Sie Ihr Bedürfnis und formulieren Sie dieses.
- Bitte – Formulieren Sie eine möglichst konkrete und positive Bitte an Ihr Gegenüber.
Beobachtung beschreiben
In einem ersten Schritt geht es darum, die Situation zu beobachten und wertfrei zu beschreiben. Es ist dabei von entscheidender Bedeutung, dass lediglich ein Zustand beschrieben, dieser aber nicht bewertet wird.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind hat sein Zimmer mal wieder nicht aufgeräumt und es sieht aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. Dann wäre der Einstieg bspw.: „Ich sehe, dass in deinem Zimmer überall deine Spielsachen verstreut herumliegen. Außerdem läuft der Mülleimer über und die schmutzige Müslischale samt Löffel steht auf deinem Schreibtisch”
Es kommt dabei darauf an, die Aussage wirklich neutral zu formulieren. Nicht neutral wäre hier: „Ich sehe, dass Du dein Zimmer wieder nicht aufgeräumt hast.“ Damit wäre ein Vorurteil verbunden. „Du” sollte grundsätzlich in diesem Schritt nicht verwendet werden. Beschreiben Sie nur, was Sie tatsächlich sehen, ohne Mutmaßungen über den Hergang oder den Grund anzustellen und ohne bereits ein Urteil zu fällen.
Gefühle benennen
Im zweiten Schritt wird beschrieben, was diese Beobachtung emotional in Ihnen auslöst:
„Das ärgert mich sehr.”
Auch hier findet keine Verurteilung statt, wie z. B. „Es ärgert mich, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst.“ Der Fokus liegt allein darauf, was die Beobachtung in Ihnen auslöst und beschreibt Ihr Gefühl.
Bedürfnis formulieren
Das beschriebene Gefühl ergänzen Sie im dritten Schritt durch die Formulierung Ihres Bedürfnisses. Es kann sein, dass Ihnen dieser Schritt manchmal nicht so leicht fällt, weil es schwierig sein kann, genau zu bestimmen, welches Bedürfnis Sie konkret haben. In unserem Beispiel könnte es sein:
„Mir ist Ordnung und Sauberkeit in unserer Familie wichtig.“
Bitte äußern
Abschließend wird durch eine Bitte beschrieben, wie Ihr Gegenüber Ihr Bedürfnis erfüllen kann. Hier kann und soll das erste Mal das Wort „Du“ fallen. Formulieren Sie Ihre Bitte möglichst konkret auf den aktuellen Zustand bezogen und positiv. Das heißt, dass gesagt werden soll, was Sie sich wünschen, nicht, was unterlassen werden soll:
„Bist du bereit, bis heute 18:00 Uhr dein Zimmer aufzuräumen?“,
nicht jedoch: „Ich würde mir wünschen, dass du in Zukunft nicht mehr so viel Unordnung veranstaltest.”
Das grundsätzliche Wesen einer Bitte ist, dass diese mit “Ja” oder “Nein” beantwortet werden kann. Wie schon vorab erwähnt, nehmen Sie beim Einsatz der gewaltfreien Kommunikation in Kauf, dass die Antwort tatsächlich „Nein!“ ist.
Weil das eine klare Aussage ist – haben Sie dann die Möglichkeit, nachzufragen, was denn der gute Grund dafür ist. Denn Sie wollen den andern verstehen – wenn Sie diese Haltung haben, wollen Sie nicht in erster Linie, dass das Zimmer aufgeräumt ist, sondern Sie wollen verstehen, warum es so aussieht.
Natürlich ist es an der Stelle auch möglich auf Augenhöhe mit dem Gegenüber zu verhandeln:
„Bist du bereit, bis heute 18:00 Uhr dein Zimmer aufzuräumen?“
„Nein.”
„Ah, ok. Möchtest du den Zeitpunkt gern selbst bestimmen?“
„Ja.“
„Gut, welche Uhrzeit ist für dich in Ordnung?”
„20:00 Uhr.”
„Ok, einverstanden.”
Wege zum Erfolg
Kinder hören und ernst nehmen
Für Kinder ist es unglaublich wichtig, das Gefühl zu haben, verstanden zu werden. Das klingt recht profan, ist aber wirklich essentiell. Vermutlich überschätzen Sie regelmäßig das Verständnis Ihrer Kinder, weil Sie Ihren eigenen Erfahrungshorizont ansetzen. Gehen Sie also auch achtsam auf die Bedürfnisse Ihrer Kinder ein und zeigen Sie diesen, dass Sie auch deren Bedürfnisse verstehen und akzeptieren.
Entscheidungsfreiheit fördert Kooperation
Ob die Kinder einer Bitte nachkommen oder nicht, wird maßgeblich dadurch beeinflusst, ob sie das Gefühl haben, frei in ihrer Entscheidung zu sein. Je mehr Druck Sie aufbauen, umso größer wird der Widerstand. Die Erfahrung zeigt, dass die Chancen sehr viel höher sind, dass Kinder einer Bitte nachkommen, wenn Sie die Wahl des Zeitpunktes Ihren Kindern überlassen, anstatt ein sofortiges Handeln einzufordern.
Empathie vorleben
Indem Sie Ihrem Kind Ihre Bedürfnisse klar kommunizieren und auch durch viel Empathie zeigen, dass Sie die Bedürfnisse Ihres Kindes verstehen und respektieren, lernt dieses mit der Zeit, die Bedürfnisse anderer im Blick zu haben, mit eigenen Strategien zu deren Erfüllung beizutragen und selber zu bitten. Ihr offenes und authentisches Auftreten gibt dem Kind Orientierung und erfüllt ihm sein Bedürfnis nach Sicherheit.
Die Grenze der gewaltfreien Kommunikation
GfK heißt nicht, dass Sie künftig z. B. wenn Ihr Kind auf eine stark befahrene Straße zurennt – freundlich rufen: „Leon, ich sehe, dass du der Straße immer näher kommst. Das macht mir Angst, da ich nicht möchte, dass du überfahren wirst. Bitte bleib doch stehen, mein Schatz!“
Um die Gesundheit des Kindes (oder anderer) und Eigentum zu schützen, sind Sie als Eltern in manchen Situationen gezwungen, ohne Umschweife Ihre elterliche Verantwortung auszuüben. In diesen Fällen müssen Sie nicht pädagogisch wertvoll kommunizieren, sondern sofort handeln. Hinterher können solche Situationen aber durchaus mit gewaltfreier Kommunikation ausgewertet werden.
Material
„Gewaltfreie Kommunikation“ von Marshall B. Rosenberg
Kinder einfühlend ins Leben begleiten – Elternschaft im Licht der Gewaltfreien Kommunikation
So gelingt gewaltfreie Kommunikation mit Kindern
BuddhaBoo
Auch in unserer App vermitteln wir im Thema achtsame Kommunikation, wichtige Grundlagen der GfK. Insbesondere geht es darum, zuerst die eigenen Bedürfnisse zu erkennen, dann aber auch die Bedürfnisse anderer und abschließend natürlich auch, diese zu akzeptieren und als gleichermaßen wichtig einzustufen.