Wo bleibt das Abenteuer?

Mitte des letzten Jahrhunderts war es ganz normal, dass sich Kinder in einem Radius von mehreren Kilometern rund um ihr Elternhaus frei bewegen konnten. Sie waren draußen mit Freunden, konnten ganz ungezwungen und ohne „Agenda“ spielen und stromern. Heute, in einer Gesellschaft voller „Helikopter-Eltern“, werden Kinder morgens bis ins Klassenzimmer begleitet, am Nachmittag wieder abgeholt und mit dem Mama-Taxi zum Sport oder Musikunterricht gefahren. Kaum etwas fällt Eltern schwerer, als ihre Kinder alleine raus zu lassen.

Gerade aber das eigenständige Entdecken, Erleben und Erlernen von Neuem ist für die Entwicklung der sozialen, geistigen, aber auch motorischen Fähigkeiten der Kinder enorm wichtig. Dabei ist es wichtig zu akzeptieren, dass mal etwas schief gehen und man sein Kind sowieso nicht vor allen Gefahren schützen kann. Ein Kind sollte auf einen Baum klettern dürfen, ohne dass seine Eltern gleich vor Schreck umkippen. Eine Schramme am Knie oder ein Loch im Pullover, weil man im Wald an einem Ast hängengeblieben ist, gehören einfach zur Kindheit dazu. Aus Fehlern lernt man – und Kinder ganz besonders.

Eltern wollen Kinder vor Gefahren schützen

In einer von der „Zeit“ beauftragten Studie aus dem Juli 2015 wurden 1.002 Mütter und Väter von Kindern im Alter zwischen fünf und 15 Jahren befragt. Ihre Antworten zeigen, dass 12 % der Befragten ihr Kind generell nicht unbeaufsichtigt nach draußen lassen und in zwei von drei Fällen bleiben die Kinder an der kurzen Leine. Jeden Zweiten beschleicht schon ein mulmiges Gefühl, wenn der Nachwuchs allein vor die Tür tritt. Häufig wird dies mit der Angst vor „Fremden“ und vor „Gefahren im Straßenverkehr“ begründet. Dabei werden die Gefahren häufig überbewertet. So kommen laut aktuellen Statistiken z. B. mehr Kinder in einem Auto als Mitfahrer zu Schaden, als die, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Kinder für Gefahren sensibilisieren

Natürlich heißt das nicht, dass Sie Ihre Kinder einfach so und ohne Vorbereitung von der Leine lassen sollten. Es ist wichtig, im Vorfeld wichtige Verhaltensweisen und Regeln zur Vorbeugung von Gefahren zu lernen. Dazu gehören insbesondere das Verhalten im Straßenverkehr und der Umgang mit Fremden. Je eher Sie damit beginnen, desto besser. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem die Kinder das Gelernte in eigene Erfahrungen umsetzen müssen. Durch zu große Einschränkungen können ernsthafte Entwicklungsprobleme entstehen: So fällt es Kindern, die nie selbst entscheiden dürfen, was sie unternehmen und machen, später häufig schwerer, selbstständig im Alltag zurechtzukommen. Außerdem leidet die kreative und spontane Entfaltung der Kinder unter strikten Plänen und Abläufen . Es gilt also, ein gesundes Maß an Regeln und Freiheiten zu finden, die Kinder auch mal Fehler machen zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Grenzen auszutesten.

Einfluss auf das Immunsystem und den Körper

Für uns war es früher selbstverständlich, dass wir irgendwann morgens aus dem Haus gegangen sind und abends mit schmutziger Kleidung wieder zur Tür hereinspaziert kamen, egal bei welchem Wetter und zu welcher Jahreszeit.

Durch das Spielen an der frischen Luft lassen sich Allergien, Übergewicht und die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten zumindest reduzieren. So trägt die Bewegung zur Vermeidung von Übergewicht bei, an der laut aktuellen Studien in bestimmten Altersklassen jedes fünfte Kind leidet. Außerdem ist Vitamin D, das über die Sonnenstrahlen bzw. die UV-Strahlung freigesetzt wird, für die Entwicklung des Immunsystems sowie des Knochenbaus von entscheidender Bedeutung. Aber auch die natürliche Konfrontation der Kinder mit Keimen trägt zur Stärkung des Immunsystems bei und kann damit Krankheiten dauerhaft vorbeugen.

Die uneingeschränkte Bewegung auf Spiel- und Sportplätzen stärkt jedoch nicht nur das Immunsystem, sondern auch das Herz-Kreislauf-System und unterstützt die Bildung von Muskeln und einem starken Körper. Ganz nebenbei werden so außerdem die motorischen Fähigkeiten der Kinder geschult, die heute leider oft nur unzureichend ausgebildet sind.

Einfluss auf soziale Kompetenzen

Neben den positiven Auswirkungen auf den Körper lernen Kinder in der Gruppe aber auch wichtige soziale Kompetenzen. Sie fangen ganz von alleine an, sich zu organisieren. Sie schmieden Pläne, bilden Gruppen, streunen umher und entdecken gemeinsam sich, ihr Verhalten und die Welt. Kinder lernen, sich durchzusetzen oder auch mal unterzuordnen. Sie müssen lernen, mit anderen Menschen klarzukommen, ohne dass Mama oder Papa sie ständig beschützen. Konfliktlösungsstrategien können Kinder nur selbstständig lernen.

In einer immer vielfältiger werdenden Umwelt mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Weltanschauung, ist auch der Kontakt zu anderen sozialen Gruppen notwendig. Hier lernen die Kleinen, andere Meinungen zu akzeptieren, aber auch für ihre Anschauung einzustehen. Die Kinder von heute werden später mit Problemen wie dem Klimawandel und Flüchtlingskrisen konfrontiert und da sollten wir uns eine Generation starker Persönlichkeiten wünschen, die sozial kompetent und empathisch ist.

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